#1

Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 01.10.2012 00:54
von Gelöschtes Mitglied
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Seit einiger Zeit interessiert mich das Fotografieren mit einfachen Objektiven, die Bildfehler können durchaus charmant sein und dem fertigen Bild eine ganz eigene Note geben. Holga, Diana etc. und die lomografische Gesellschaft haben diese Art zu fotografieren populär gemacht. Wenn man die Begeisterung vieler junger Menschen dafür sieht kann man nur sagen: das ist zur Zeit die einzige funktionierende Nachwuchsförderung, auch wenn man nicht alles supertoll finden muss.

Meine Agfa Clack und Vredeborch Felica, die mit sehr einfachen Linsen, einer sogenannten Meniskuslinse ausgestattet sind, machen schon zu gute Bilder, um im Club der vor Bildfehlern nur so strotzenden Einfachkameras mitzuhalten. Außerdem wende ich mich zunehmend vom 120er Format ab, da das Filmmaterial immer teurer wird und es bei den kleinen Herstellern massenweise Konfektionierungsprobleme gibt. Und warum soll ich für unscharfe, verzeichnete, vignettierte Bilder ein hochauflösendes Filmformat einsetzten?

Also Kleinbild. Erstes Problem ist es, ein wirklich geeignetes „schlechtes“ Objektiv zu finden. Selbst einfachste Einwegkameras haben schon eine rel. gute Bildqualität, außerdem hat man keinerlei Konrolle über Belichtung und Fokus. Dann gibt es aber noch Holga-60-mm-Objektive für die heute gängigen Spiegelreflex-Bajonettsysteme. Das könnte was werden, aber wegen des keineren KB-Bildkreises sind sie mir immer noch „zu gut“. Alle Meniskuslinsen erreichen ihre halbwegs ordentliche Abbildung nur durch Abblenden, deshalb sind die größten Blenden bei 6x6 meist Blende 8 und bei 6x9 Blende 11. Wenn man also nun eine Linse ähnlich wie in der Holga fände und sie mit großer Blende nutzt, müssten die Bildfehler doch auch im KB den gewünschten Grad erreichen? Brennweiten unter 60 mm sind wegen des Auflagemaßes von ca. 45 mm nicht so einfach verwendbar.

Bei mir lag ein altes Revuenon 1.8/50 mit völlig träger Blende. Da ich noch ein sehr gutes Porst 1.7/50 habe, beschloss ich, das Revuenon zu schlachten. Einmal wegen des M42-Anschlusses, zum anderen erhoffte ich mir, dabei eine geeignete einzelne Linse zu finden. Beides hat funktioniert. Mit einem schon vorhandenen Adapter M42 zu Minolta-AF war ein Betrieb an der Dynax mit Zeitautomatik möglich. Beim Zerlegen sah ich, dass eine Reparatur aufgrund des komlizierten Aufbaus für mich nicht machbar gewesen wäre. Es war also die richtige Entscheidung.

Die Frontlinse des Revuenons hat eine Brennweite von 70 mm bei einem Durchmesser von 26 mm. Das ergibt offen rechnerisch ca. Blende 2.8. Da ich solche kurzen Tele- oder langen Normalbrennweiten sehr mag, war es beschlossen: Bastelstunde!

Dies ist der erste Versuch aus kurzen Abschnitten einer Pappröhre (leere Küchenrolle), schwarzem Karton, dem M-42-Gewinde des alten Objektivs und dem Adaper für Minolta-AF. Die Linse wurde mit Tesafilm befestigt, die Blende mit einer Nagelschere aus Fotokarton ausgeschnitten. Die Papptuben werden innen mit schwarzem Fotokarton beklebt, damit es keine internen Reflexionen gibt und die Konstruktion deutlich an Stabilität gewinnt. Der äußere Tubus, auf dem die Linse sitzt, muss natürlich einen etwas größeren Durchmesser haben. Dazu wird er längs aufgeschnitten, ein Stüch Karton eingesetzt und zusammen mit dem inneren, schwarzen Karton verklebt. So ist der äußere Tubus verschiebbar und so wird dann auch fokussiert. Der innere Tubus wird mit Pattex auf den rückwärtigen Ring mit dem M42-Gewinde geklebt.



Die Länge der Tuben habe ich zunächst grob geschätzt und etwas zu lang ausgeführt, dann so lange mit der Nagelschere gekürzt bis der Fokus auf unendlich bei ganz eingeschobenem äußeren Tubus passt.

Alles ist ohne Messwerkzeug und nur mit Augenmaß gemacht.

Der Einfluss der Blende auf das Bildergebnis ist sehr groß. Bei Offenblende ist ein Meniskus mehr oder weniger unbrauchbar. So auch die Meniskus-Linse der Felica., die bei f/8 oder f/16 relativ scharfe Bilder macht, und auch die Überstrahlungen sind so gut wie weg.. Gering abgeblendet , etwa f/3,5 – f/4 erggeben sich wunderbare Effekte. Ich habe noch eine zusätzliche Blende aus schwarzem Karton angefertigt, ca. F/5,6. Sie wird einfach eingelegt und hält durch Presspassung. Welche Blende und welche Bildwirkung einem am besten gefällt, lässt sich also ganz einfach ausprobieren.



Da mich die Bilder überzeugten, habe ich das Objektiv nochmal etwas sorgfältiger aufgebaut. Auch bekam es noch einen Frontring, der ebenfalls vom alten Objektiv übernommen werden konnte, da er zufällig genau passt. Jetzt ist es mechanisch noch etwas stabiler und man hat sogar ein 49mm-Filtergewinde. Die Linse wurde mit Spiritus entfettet/gereinigt und mit Pattex verklebt.



Mit einfachsten Mitteln und ohne Spezialwerkzeug lässt sich so ein Objektiv also herstellen.

Welch Linsen sind geeignet? So ziemlich jede konvexe Sammellinsemit der richtigen Brennweite. Die lässt sich ermitteln, indem man die Linse mit etwas Abstand vor einer weißen Wand hält und bei dem Abstand,der der Brennweite entspricht, bekommt man ein scharfes Bild zu sehen. Für mehr als grobes Schätzen ausreichend. Das ist dann auch ungefähr der Mindestabstand der Linse von der Filmebene.

Mir hat das Basteln großen Spaß gemacht. Das Objektiv vignettiert zwar nicht, aber der Schärfeverlauf und die Überstrahlungen sind jedenfalls “traumhaft”. Ich werde es wohl noch oft einsetzten. Und ich finde die Ergebnisse “besser” als mit Holga, Diana und Co.

Liebe Grüße - Reinhold

PS: dieser Bericht ist auch als PDF erhältlich, siehe Anhang




Dateianlage:
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#2

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 01.10.2012 06:49
von Gelöschtes Mitglied
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Interessant - Du hast also nur noch die Vorderlinse des geschlachteten Objektivs behalten und kannst damit jetzt diese Effekte erzielen. Darauf muß man erst einmal kommen!

Viele Grüße
Nils


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#3

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 01.10.2012 07:28
von Gelöschtes Mitglied
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Ja, die Vorderlinse ist wie wohl bei den meisten Objektiven konkav-konvex, also ein Meniskus. Ich habe bemerkt, dass 3-Linser sich nicht eignen, da die Vorderlinse eine viel zu geringe Brennweite hat, bei einem 50er so um die 30 mm. Deshalb habe ich das defekte Revuenon, wohl ein 6-Linser, auseinandergenommen. Der Mensikus der Felica mit ca. 65mm Brennweite benimmt sich bei großen Öffnungen genauso.


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#4

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 01.10.2012 08:15
von namir • Mitglied | 2.452 Beiträge

Danke für den Bericht!
Die Bilder hier im thread... um ehrlich zu sein, und mir voll bewusst, dass ich evtl. mehr über mich als über die Bilder sage: Wenn ich die Bilder sehe, fühle ich mich irgendwie wie besoffen am Bahnhof. (obwohl ich mich nicht daran erinnern könnte, mal besoffen (also soo besoffen) am Bahnhof gewesen zu sein). Der "Nachtfalke löst bei mir diese Assioziation nicht aus.


zuletzt bearbeitet 01.10.2012 08:15 | nach oben springen

#5

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 01.10.2012 10:48
von JochenDT • Mitglied | 937 Beiträge

Danke!
Wie sagte schon HCB: Schärfe ist ein bourgeoises Konzept!
Bin auch ein wenig in die Richtung unterwegs. Wohin das führt ... ?

Gruß Jochen


Jochen
Gruß aus dem Lipperland

Spröde Künste
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#6

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 06.10.2012 12:12
von Gelöschtes Mitglied
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Schon bei Blende 5,6, ermittelt durch Belichtungsmessung, und realisiert mit einer Einlegeblende aus schwarzem Fotokarton, macht Mona schon fast normale Bilder, von dem seltsamen Eierkopp mal abgesehen :-D

LG Reinhold


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#7

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 07.10.2012 07:06
von anTon • Mitglied | 6.858 Beiträge

den Ubahn Abstieg finde ich klasse .... wäre sicher auch gut für einen einfahrenden Zug.

Das letzte ist oberwitzig weil das Objektiv selber wie ein Auge schaut :)))


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#8

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 07.10.2012 12:03
von zaungast • Mitglied | 188 Beiträge

Ja, der UBahn-Abstieg... Könnte aus einem Film noir stammen: Dem Held (vorzugsweise abgerissener Privatdektiv) wurden KO-Tropfen eingeflößt. Jetzt irrt er durch die Stadt und droht eine UBahn-Treppe hinab zu stürzen. Wahrscheinlich wird er aber von seiner Auftraggeberin, einer "damsel in distress" gerettet.

Mit freundlichem Gruß, Thomas: Möchtegern-Cineast


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#9

RE: Mona Meniskus - Eigenbau eines einfachen Objektivs

in Kameratechnik, Objektive, Blitzgeräte 09.10.2012 00:54
von BertholdSW • Mitglied | 2.407 Beiträge

Hallo aus dem Sauerland.
Und RUCK_ZUCK sind wir beim "Brillenobjektiv", "Monockel-Linse", als einem Selbsbau-Objektiv mit einer oder 2 Brillengläsern, je nach Bastelwunsch.
Papperolle (Toilettenpapier innen), Brillen-Glas rein. Lochblende nach Wunschgrösse rein, an Kamera anpflastern/kleben mit Lassoband, Deckel vorn zur Belichtung, Klappe auf, Klappe zu, fertig. Geht mit sehr guten Weichzeichneregebnissen.
Im Internet die Bastelanleitung suchen. Alte Bücher beschreiben das auch sehr genau.
Das ist bekannt geworden um 1900 unter der sogenannten Linzer/Wiener Schule, denen damals die die Anastigmaten zu scharf wurden.
Kühn, Watzek, Hanneberg als bedeutenste Vertreter dieser damaligen Richtung.

Und RUCK_ZUCK sind wir beim klassischen Weichzeichner (und ihre Lichtsäume), der einfacher nicht geht.
Und RUCK_ZUCK sind wir bei der Lochkamera.
Was haben wir doch für ein abwechslungreiches Steckenpferd.
Gruss Berthold


Man hat immer 3 Möglichkeiten! Immer!!!
zuletzt bearbeitet 09.10.2012 00:54 | nach oben springen






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